Schlangen – älter als 1000 Jahre Reviewed by Heinz Wiemann on . Die Gemeinde Schlangen feiert 2015 einen „runden Geburtstag“ unter dem Motto „Schlangen - 1000 Jahre und mehr“. Woher nehmen die Schlänger ihre 1000 Jahre und w sfsdfsdfsdf Die Gemeinde Schlangen feiert 2015 einen „runden Geburtstag“ unter dem Motto „Schlangen - 1000 Jahre und mehr“. Woher nehmen die Schlänger ihre 1000 Jahre und w Rating: 0

Schlangen – älter als 1000 Jahre

Die Gemeinde Schlangen feiert 2015 einen „runden Geburtstag“ unter dem Motto „Schlangen – 1000 Jahre und mehr“. Woher nehmen die Schlänger ihre 1000 Jahre und was berechtigt sie zu der Ergänzung „… und mehr“?

Zum einen steht das „Geburtsjahr“ 1015 nicht fest, und außerdem ist das zugrunde gelegte Schriftdokument keine Gründungsurkunde. In die Lebensbeschreibung des um 975 geborenen Paderborner Bischofs Meinwerk („Vita Meinwerci“) ist eine Vielzahl von „Traditionsnotizen“ eingefügt, Hinweise auf Schenkungen, die dem Bischof zwischen 1015 und seinem Todesjahr 1036 zuteil wurden. In der rund 130 Jahre nach dem Tode des Bischofs verfassten Lebensbeschreibung ist die Auflistung der Schenkungen noch nicht einmal in chronologischer Reihenfolge durchgeführt worden. Das Jahr 1015 ist der frühestmögliche Zeitpunkt. Dass in Zweifelsfällen die am weitesten zurückliegende Datierungsmöglichkeit den Grund zum Feiern liefert, ist allgemein üblich.

Irgendwann zwischen 1015 und 1036 übergab die Nonne Oda aus Geseke für ihr Seelenheil und das ihrer Eltern alles, was sie an Besitz in den Dörfern und der Mark Kohlstädt, Oesterholz, in Schlangen und im ganzen Padergau hatte, der Kirche von Paderborn zu eigen, Schlangen wird in der Notiz Lanchel genannt. Dass mit dem Lanchel das heutige Schlangen gemeint ist, wird in der Wissenschaft nicht bestritten. Auch wenn das Schriftdokument ziemlich alt ist, hat es mit dem tatsächlichen Alter des Dorfes wenig zu tun.

Abschnitt aus der „Vita Meinwerci“ (verfasst um 1160) mit den Ortsnamen Colstidi, Astanholte und Lanchel. Foto: Universitätsbibliothek Kassel, 4°Ms. hist. 12

Abschnitt aus der „Vita Meinwerci“ (verfasst um 1160) mit den Ortsnamen Colstidi, Astanholte und Lanchel. Foto: Universitätsbibliothek Kassel, 4°Ms. hist. 12

 

Schlangen wird in der Schenkungsnotiz beim Namen genannt. Das bedeutet, dass der Ort bereits vor dem Jahr der Übereignungen existiert hat. Dazu der Historiker Roland Linde: „Allerdings ist der einzelne Ortsname zum Zeitpunkt seiner urkundlichen Ersterwähnung häufig schon Jahrhunderte alt und kann bereits erhebliche Veränderungen erfahren haben.“

Möglicherweise führt die urkundliche Ersterwähnung Schlangens in das 9. Jahrhundert zurück. Das wäre dann schon recht beachtlich, wenn man bedenkt, dass die schriftlichen Überlieferungen im nordwestdeutschen Raum erst im späten 8. Jahrhundert einsetzen. Dr. Birgit Meineke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsprojekt „Ortsnamen zwischen Rhein und Elbe“: „In formaler Hinsicht ist also eine Verbindung des alten Lengi der Corveyer Traditionen (aus der Zeit zwischen 826 und 876) mit den hoch- und spätmittelalterlichen Formen des Ortsnamens Schlangen zumindest nicht auszuschließen.“ Man darf auf weitere Forschungen gespannt sein.

Die Kilianskirche als Hinweis auf eine frühe Existenz Schlangens

Im Zusammenhang mit der Herausgabe des Buches „Lanchel, Colstidi, Astanholte“ (1969) bat Heinz Wiemann den Staatsarchivrat Dr. Martin D. Sagebiel, die mittelalterlichen Besitzverhältnisse in Schlangen zu erforschen und darzustellen. Dr. Sagebiel entdeckte den Heiligen Kilian als Schutzpatron der Kirche in Schlangen. Eine Kilianskirche in Schlangen – fast schon Gewähr einer sehr frühen Entstehungszeit, eines erheblich weiter zurückliegenden Datums als bisher angenommen. Wiemann zog zusätzlich die Lage Schlangens im Bereich alter, überregionaler Straßen in Betracht und beantragte eine archäologische Grabung im Schlänger Gotteshaus. Staatsarchivdirektor a.D. Dr. Hans-Peter Wehlt zu den Ergebnissen der 1969 durchgeführten Grabung: „Für Schlangen darf man den frühestmöglichen Ansatz zwischen 780 und 784 annehmen. Dem widersprechen die Ergebnisse der archäologischen Untersuchung nicht. Mit Gewissheit hat man unter der 1878 abgebrochenen romanischen Kirche einen Apsidensaal nachweisen können, für den eine Datierung zwischen der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts und dem Anfang des 11. Jahrhunderts in Frage kommt – doch mit Sicherheit auszuschließen ist allerdings ein hölzerner Vorgängerbau nicht, da nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Gesamtfläche untersucht wurde.“

Das älteste Gebäude des Ortsteiles Schlangen: Der Kirchturm aus der Zeit um 1200. Foto: Annette Fischer, Schlangen, 2008

Das älteste Gebäude des Ortsteiles Schlangen: Der Kirchturm aus der Zeit um 1200. Foto: Annette Fischer, Schlangen, 2008

Karl Schoppe, der sich intensiv mit der Entstehung der vierzehn alten Kilianskirchen im alten Bistum Paderborn beschäftigt hat, führt u. a. aus: „Die Kilianskirche zu Schlangen weist durch ihr Patrozinium deutlich auf die Würzburger Mission hin. Drei Gründe sprechen meiner Meinung nach für ein besonders hohes Alter dieser Kirche. 1. Sie liegt am Hellweg, dieser uralten Handels- und Heerstraße. 2. Sie ist die nächste Kilianskirche bei Paderborn. 3. Wir kennen nunmehr vier Kilianskirchen am Hellweg: Paderborn, Schlangen, Höxter und Schötmar, wobei Paderborn sicherlich die älteste Kilianskirche hatte. Ich glaube daher, dass auch Schlangen zu den ältesten Kilianskirchen zu rechnen ist. Vielleicht sind die vier genannten Kirchen am Hellweg mit diesem Patrozinium im Verlauf weniger Jahre nacheinander entstanden. Dann können die Kirchen in Schlangen und Höxter noch aus der Zeit um 780 bis 785 stammen, und gerade der Umstand, dass die Schlänger Kirche die am nächsten zur Missionszentrale Paderborn gelegene Kilianskirche ist, legt die Vermutung nahe, dass sie nicht nur eine der ältesten Kirchen dieses Patroziniums im alten Bistum Paderborn ist, sondern vielleicht sogar die älteste – nach dem Dom zu Paderborn.“

Nach den Erkenntnissen des Historikers Frank Huismann existierte Schlangen bereits im 7. Jahrhundert: „Immerhin steht fest, dass seit dem 7. Jahrhundert in unserem Raum eine Bevölkerung lebte, die als sächsisch angesehen wurde. Und es deutet vieles darauf hin, dass die Dörfer Schlangen, Kohlstädt und Oesterholz in genau diesem Zeitraum gegründet wurden… Dass die Dörfer schon zur Zeit der Sachsenkriege existiert haben müssen, kann man erschließen, und die Namenforschung führt in die Zeit der sächsischen Besiedlung. Es hat sich offenbar schon im 7. Jahrhundert eine Siedlungsinsel mit den drei Ortschaften gebildet.“

Die Ausführungen der Historiker wurden den von Heinz Wiemann herausgegebenen Büchern „Die Kirche zu Schlangen“ (Schlangen 1978) sowie den Bänden 1 und 2 der „Geschichte der Dörfer Schlangen, Kohlstädt, Oesterholz und Haustenbeck“ (Bielefeld 2008 und 2011) entnommen.

H.W.

(Publiziert am 10. Januar 2015)

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