Schreiben vom 12. Juni 2015 an den Gemeinderat in Schlangen – Rehabilitation der Opfer der Hexen- und Zaubererverfolgung Reviewed by Dieter Brand on . Vorbemerkungen: Auch in Schlangen (einschließlich Oesterholz und Kohlstädt) haben Menschen unter Anschuldigungen der Hexerei und Zauberei gelitten. Zu den unsch sfsdfsdfsdf Vorbemerkungen: Auch in Schlangen (einschließlich Oesterholz und Kohlstädt) haben Menschen unter Anschuldigungen der Hexerei und Zauberei gelitten. Zu den unsch Rating: 0

Schreiben vom 12. Juni 2015 an den Gemeinderat in Schlangen – Rehabilitation der Opfer der Hexen- und Zaubererverfolgung

Vorbemerkungen: Auch in Schlangen (einschließlich Oesterholz und Kohlstädt) haben Menschen unter Anschuldigungen der Hexerei und Zauberei gelitten.
Zu den unschuldigen Opfern, die zum Tode verurteilt wurden, gehörten auch Einwohner aus dem Kirchspiel Schlangen. Die Forschungsergebnisse der Historikerin Ingrid Ahrendt-Schulte und des Historikers Rainer Walz sind u. a. in dem Magazin „Schlänger Geschichte“ zu lesen.

Hartmut Hegeler (Unna) und Heinz Wiemann (Dorsten) haben am 12. Juni 2015 ein Schreiben an den Rat der Gemeinde Schlangen gerichtet, in dem sie anregen, die Schlänger Opfer der Hexenprozesse zu rehabilitieren.

„… um die Ehre wieder herzustellen.“

Hiermit möchten wir anregen, dass der Rat der Gemeinde Schlangen anlässlich der Feiern „1000 Jahre Schlangen und mehr“ im Jahr 2015 die Opfer der Hexenprozesse rehabilitiert, um die Ehre der durch die Hexenprozesse verfolgten und hingerichteten Einwohner wieder herzustellen.
Dieser Antrag beinhaltet nicht eine juristische, sondern eine moralisch-ethische Rehabilitierung.

Schlangen war im 16. und 17. Jahrhundert von Hexenverfolgung betroffen. Sechs Frauen und ein Mann gerieten nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung in Hexenprozesse. Mindestens drei Personen wurden hingerichtet; bei drei anderen Fällen ist eine Hinrichtung wahrscheinlich.

Unschuldig im Sinne der Anklage

Aus heutiger Sicht sind die wegen Hexerei verurteilten Frauen und Männer im Sinne der Anklage für unschuldig zu erklären. In Zeiten der modernen Naturwissenschaften ist jedem einsichtig, dass ein Mensch nicht auf einem Besenstiel zum Hexensabbat fliegen oder mit Zauberei Wetterkatastrophen oder Krankheiten bewirken kann.

Nie sind die Opfer der Hexenprozesse jedoch rehabilitiert worden, sie gelten bis heute als schuldig im Sinne der Anklage: sie hätten sich dem Teufel verschrieben, Gott verleugnet und durch Zauberei Schaden über Menschheit und die Natur bewirkt. Auch ihre Familien wurden in tiefstes Unglück gestürzt. Das erlittene Leid und geschehene Unrecht sind nie öffentlich anerkannt worden. Es muss deutlich gesagt werden: Es gab keine „Hexen“ und „Hexer“, sondern Menschen wurden durch die Folter zu „Hexen“ und „Hexern“ gemacht. Viele Hexenprozessakten aber bezeugen, dass viele Angeklagte trotz schlimmster Martern an ihrem Glauben an Gott bis zu ihrem letzten Atemzug festhielten.

Eine sozialethische Rehabilitation der Verurteilten soll im Sinne der Menschenwürde, der Menschenrechte und der Humanität, der Wiederherstellung ihrer individuellen Ehre sowie dem dauerhaften Gedenken an diese unschuldigen Opfer dienen.
Es ist in unserer Gegenwart und Gesellschaft sinnvoll und wichtig, eine solche öffentliche Erklärung abzugeben.

Geschichte kennt keinen Schlussstrich

Die Geschichte wirkt in die Gegenwart hinein. Geschichtliche Ereignisse kennen keinen Schlussstrich – auch nach Jahrhunderten nicht. Von ihnen kann durchaus über Generationen hinweg ein Appell zu verantwortlichem Handeln ausgehen. Und außerdem führen auch in der Gegenwart Feindseligkeiten und Vorurteile, Gerüchte und Verdächtigungen gegen Menschen oft zu ihrer gesellschaftlichen Ächtung und Ausgrenzung.

Die Gemeinde Schlangen hat mit solch einer Erklärung die historische Chance, ein symbolisches Zeichen gegen körperliche und geistige Gewalt zu setzen. Die öffentliche Rehabilitation der durch die Hexenprozesse zu Tode gekommenen Personen stellt eine klare und deutliche Willensbekundung gegen Missachtung der Menschenwürde und Menschenrechte in unserer Zeit dar.

Beschlussvorschlag:

Der Rat der Gemeinde Schlangen beschließt die Rehabilitierung der in der Zeit der Hexen- und Zaubererverfolgung aus Schlangen während des 16. und 17. Jahrhunderts gequälten und ermordeten Menschen durchzuführen und fasst dabei folgenden Beschluss:

Die Rehabilitation der unschuldig gequälten und hingerichteten Opfer der Hexen- und Zaubererverfolgung aus Schlangen während des 16. und 17. Jahrhunderts ist ein Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung. Der Rat der Gemeinde Schlangen verurteilt diese Gewalt, die an Einwohnern begangen wurde. Er gedenkt der Opfer, rehabilitiert sie öffentlich und gibt ihnen damit heute im Namen der Menschenrechte ihre Ehre zurück.

Wenngleich die Gemeinde Schlangen nicht Rechtsnachfolgerin der damals politisch und kirchlich Verantwortlichen ist, so besteht dennoch eine ethische Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Familien. Angesichts der lokalen Geschichte steht der Rat der Gemeinde Schlangen zu dieser Verpflichtung.

Hexenverfolgung und Hexenprozesse – Namen der Opfer aus dem Kirchspiel Schlangen

Schlangen war im 16. und 17. Jahrhundert von Hexenverfolgung betroffen. Sechs Frauen und ein Mann gerieten in Hexenprozesse. Mindestens drei Personen wurden hingerichtet, bei drei anderen Fällen ist eine Hinrichtung wahrscheinlich. Vier weiteren Personen wurde Hexerei vorgeworfen. Ob es zu Prozessen kam, ist nicht bekannt.

1586: Klageschrift der Vertreter des Kirchspiels Schlangen gegen „der Zauberei verdächtige und berüchtigte Weiber“ aus den Gemeinden Kohlstädt, Oesterholz und Schlangen.

Gertrud Deppe, Kohlstädt, sollte angeklagt werden, floh im Mai 1586. Weiteres Schicksal unbekannt, vermutlich hingerichtet.

Mette Deppe, Folter: Verbrennung im Herbst 1586 in Detmold.

Ilse Rut, Schicksal unbekannt.

Ihre Tochter Anneke Rut aus Kohlstädt, vermutlich hingerichtet.

Lueke (Luitgard) zu Oesterholz, Schicksal unbekannt.

Cathrine (Trine) Bunsen aus Schlangen war 1571 als Witwe aus Lippspringe nach Schlangen gekommen und hatte dort Johan Bunsen geheiratet. Es ging das Gerücht, diese „Auswärtige“ sei geflohen, weil sie ihren ersten Ehemann durch Giftzauber umgebracht hätte. Folter.
1589 erneut vor Gericht, zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.

Grete Schepers aus Schlangen, vermutlich hingerichtet.

Literatur:
Ingrid Ahrendt-Schulte: „Von bösen Weibern ins Verderben gestürzt“.
Nachbarschaftskonflikte und Hexenprozesse im Kirchspiel Schlangen. In: Heinz Wiemann (Hrsg.), Schlangen, Kohlstädt, Oesterholz, Haustenbeck. Beiträge zur Geschichte, Band II. Schlangen 1999, S. 83 – 89
Ingrid Ahrendt-Schulte: „Von bösen Weibern ins Verderben gestürzt – Nachbarschaftskonflikte im Kirchspiel Schlangen und Hexenprozesse“ in diesem Magazin

Mette Deppe (Artikel bei Wikipedia)

1615: Henrich Wittkop aus Kohlstädt war vielfach als Zauberer und Werwolf gescholten worden. Zudem wurde er des Ehebruchs und des Holzdiebstahls beschuldigt. Ihm wurde der Prozess gemacht. Henrich Wittkop ist zum Tod durch Verbrennen verurteilt worden.
1615: Bernd Thiman (Thyman) aus Kohlstädt und seine Frau wurden der Zauberei beschuldigt. Ob Prozesse erfolgt sind, ist nicht bekannt.

Literatur:
Rainer Walz: Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit: Die Verfolgung in der Grafschaft Lippe, Westfälisches Institut für Regionalgeschichte Landschaftsverband Westfalen-Lippe Münster, Forschungen zur Regionalgeschichte, Band 9, Ferdinand Schöningh, Paderborn 1993

Rainer Walz: „Zwei Männer aus Kohlstädt als Zauberer und Werwölfe beschuldigt“ in diesem Magazin

1637 bis 1639: Regine Willmar und Anna Wulfkuhle zu Kohlstädt werden als „Hexen eingewrugte Frauenpersonen“ genannt. Ob Prozesse erfolgt sind, ist nicht bekannt.

Literatur:
C. W. Isermann: „Nachrichten und Notizen von der Stadt Horn und dem Amte Horn von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart“, Detmold 1888 (Manuskript), S. 21. Erstveröffentlichung: Horn o. J., Zweitveröffentlichung: Horn-Bad Meinberg 1977

Eine Rehabilitation der als Hexen hingerichteten Frauen und Männer ist bereits in vielen Orten erfolgt:

1993 Winterberg / NRW, Stadt, kath. und ev. Kirche
2002 Kammerstein, 2003 Kammerstein – Barthelmesaurach / Bayern
2007 Eschwege / Hessen, Stadt und ev. Kirche
2008 Fulda / Hessen, Gedenkfeier mit Oberbürgermeister und Kirchenvertretern
mit Einweihung der Gedenkstätte für die Opfer der Hexenverfolgung im
Hochstift Fulda
2010 Hofheim a. T. / Hessen
2011 Rüthen / NRW
2011 Hilchenbach / NRW
2011 Hallenberg / NRW
2011 Sundern / NRW
2011 Menden / NRW
2011 Werl / NRW
2011 Suhl / Thüringen
2012 Bad Homburg / Hessen
2012 Detmold / NRW
2012 Lemgo / NRW (und 1992)
2012 Rheinbach / NRW
2012 Köln / NRW
2012 Meiningen / Thüringen
2012 Osnabrück / Niedersachsen
2012 Büdingen / Hessen
2013 Soest / NRW
2013 Freudenberg / NRW
2013 Rehburg-Loccum / Niedersachsen
2013 Lutherstadt Wittenberg / Sachsen-Anhalt
2013 Datteln / NRW
2014 Horn-Bad Meinberg / NRW
2014 Trier / Rheinland-Pfalz, Gedenkfeier mit Oberbürgermeister Klaus Jensen
2014 Witten / NRW
2014 Dortmund / NRW
2014 Idstein / Hessen (und 1996)
2014 Schleswig / Schleswig-Holstein, Gedenkgottesdienst Domgemeinde mit Bür-
germeister Christiansen und Einweihung Gedenkstein beim Rathaus
2015 Lippstadt / NRW
2015 Wemding / Bayern
2015 Blomberg / NRW
2015 Rottweil / Baden-Württemberg
2015 Bamberg / Bayern: Stadtrat beschließt: „Im Hochstift Bamberg
wurden im 17. Jahrhundert etwa 1000 Frauen, Männer und Kinder unschuldig angeklagt, gefoltert und hingerichtet. An sie erinnert dieses Mahnmal“ hinter Schloss Geyerswörth.
2015 Gelnhausen / Hessen
2015 Bad Laasphe / NRW
2015 Balve / NRW
2015 Barntrup / NRW

Hexenprozesse – Hartmut Hegeler und sein Einsatz für die Rehabilitation der Opfer

Hartmut Hegeler und Heinz Wiemann haben am 12. Juni 2015 nach § 24 der Gemeindeordnung NRW einen Antrag auf Rehabilitation der Schlänger Opfer der Hexenprozesse gestellt.

Hartmut Hegeler

Hartmut Hegeler

Hartmut Hegeler wurde 1946 in Bremen geboren, besuchte das Ratsgymnasium in Bielefeld und studierte Theologie. Anschließend arbeitete er als kreiskirchlicher Pfarrer in Unna/Westfalen und erteilte Religionsunterricht am Berufskolleg. Seit 2010 ist er pensioniert. Bereits mehrere Jahre setzt er sich mit der Thematik der Hexenverbrennung auseinander und kämpft für Gerechtigkeit und Rehabilitation der unschuldig verurteilten Opfer. In einem Interview, geführt von Julia Meyer vom Köln-Lese-Team, beantwortet er Fragen zu den Hintergründen und seinen Zielen. Es folgen Auszüge aus Antworten zu entsprechenden Fragen.

Schülerinnen im Berufskolleg baten mich, uns im Religionsunterricht Gedanken über ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte zu machen: Über die Hexenprozesse. Zunächst habe ich versucht, die Schülerinnen auf fröhliche Themen einzustimmen, aber sie waren nicht von ihrem Wunsch abzubringen. Als ich mich dann intensiver mit der Zeit der Hexenverfolgungen beschäftigte, merkte ich, wie wenig ich darüber wusste. Das empfand ich als große Herausforderung.

Zusammen mit vielen Gleichgesinnten in Deutschland möchte ich mit meinen Büchern und Vorträgen den Menschen ein Denkmal setzen, die damals unschuldig vor Gericht gestellt wurden. Viele verloren ihr Leben, über die Familien wurde unendliches Leid gebracht. In vielen Orten erinnert nichts mehr an ihr Schicksal. Und das ist nicht in Ordnung.

Ich habe mich um Hintergrundinformationen über die Hexenprozesse bemüht. Damals wurden Frauen, Männer und Kinder als Zauberer und Hexen beschuldigt, gefoltert und verbrannt. Durch die Folter wurden Menschen zum Geständnis gezwungen, sie seien Hexen. In den Anklageschriften wurde ihnen oft vorgeworfen, sie seien an den Wetterkatastrophen und an den Missernten schuld. Damals wussten die Menschen nichts von den Umständen, wie Wetterkatastrophen entstehen. So wurden Sündenböcke gesucht und gefunden – damals wie heute.

In Zeiten der modernen Naturwissenschaften ist jedem einsichtig, dass ein Mensch nicht auf einem Besenstiel reiten und am Hexensabbat teilnehmen oder mit Zauberei Wetterkatastrophen und Krankheiten bewirken kann. Dies waren die Anklagepunkte in den Hexenprozessen, für die Menschen zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurden. Aus heutiger Sicht wurden sie im Namen Gottes zu Unrecht beschuldigt und hingerichtet, denn die Angeklagten konnten diese Verbrechen nicht begehen.
Nie sind die Urteile der Hexenprozesse jedoch aufgehoben worden. Die Verurteilten gelten bis heute als schuldig im Sinne der Anklage: sie hätten sich dem Teufel verschrieben, Gott verleugnet und durch Zauberei Schaden über die Menschheit und die Natur bewirkt. Auch nach Jahrhunderten verdienen die Opfer der Hexenprozesse, ihre Würde und Ehre wieder zu bekommen und rehabilitiert zu werden.

Wenn ich mich mit dem Leben der Menschen in der Vergangenheit beschäftige, wird mir deutlich, wie sehr wir von mutigen Menschen vor uns profitieren, die um die Menschenrechte gekämpft und uns viele Freiheiten erstritten haben. Das verpflichtet uns, uns weiter für die Menschenrechte einzusetzen. So ist das Erinnern an die Opfer der Hexenprozesse zugleich ein Signal gegen Gewalt von heute, gegen Mobbing, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung.

(Publiziert am 4. August 2015)

 

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