40. Geschichtsstation eingeweiht – Gang durch die Historie der Schlänger Badeanstalt – Bademeister Hermann Wolf – Blick über den Beckenrand
In dem Beitrag „Bau der Schlänger Badeanstalt ‚auf eigene Kosten‘ …“, publiziert am 18. Februar 2016, wurde mitgeteilt, dass sich Heinz Wiemann und der Vorsitzende des Fördervereins Ortsgeschichte Schlangen, Reinhard Peukert, einig waren: „Die Schlänger Badeanstalt gehört in besonderer Weise zur Historie des Dorfes und hat einen Anspruch darauf, zu den bisher 40 Geschichtsstationen gezählt zu werden.“
Die Zustimmung der für die Badeanstalt zuständigen Gemeindewerke und auch des Freibad-Fördervereins folgte schnell.
Für Heinz Wiemann, Initiator des Geschichtsstationen-Projektes und verantwortlich für die inhaltliche Weiterentwicklung, hieß es konzipieren, recherchieren, formulieren – wie auch bei allen bisher aufgestellten Geschichtstafeln. Reinhard Peukert übernahm in altbewährter Weise die Gestaltung der Informationstafel, Uwe Pax kümmerte sich um die Druckvorstufe sowie die Produktion, und Karl-Heinz Räker führte die fachmännische Aufstellung des Edelstahlpultes der sehens- und lesenswerten Geschichtstafel aus.
Im Rahmen der Veranstaltungen zur Feier des 90jährigen Bestehens der Badeanstalt in Schlangen konnte die Informationstafel der 40. Geschichtsstation der Gemeinde an Ort und Stelle enthüllt werden. Am 25. Juni 2016 waren mit dabei: Robert Göke (Technischer Leiter der Gemeindewerke Schlangen), Marcus Püster (Vorsitzender des Fördervereins Freibad), Reinhard Peukert (Vorsitzender des Fördervereins Ortsgeschichte) sowie Ewald Strohdiek (Finanzverwalter des Fördervereins Ortsgeschichte).
Vom Bau der Schlänger Badeanstalt und von Maßnahmen zur „Hebung des Badebetriebes“
Es folgt der Text der Informationstafel „Badeanstalt“:
1900: Schuhmachermeister Heinrich Budde „und Genossen“ beantragen die „Anlegung eines Badeteiches In dem Lehm auf Gemeindekosten“. Am 16. Oktober wird eine Kommission gebildet, die dem Gemeindevorstand einen Kostenanschlag vorlegen soll.
1901: Die Kommission geht von Kosten in Höhe von 762,26 Mark aus. Der Gemeindevorstand lehnt den Bau einer Badeanstalt auf Gemeindekosten einstimmig ab. Die Badeanstalt wird nicht gebaut.
1923: Auf Anregung des Gemeindevorstehers Heinrich Ellerbrok beschäftigt sich ein von Adolf Schmidt geleiteter Ausschuss mit Vorarbeiten zum Bau einer öffentlichen Badeanstalt.
1924: „Freiwillige vor! – Jeden Abend ging es nun mit Spaten und Schüppen in den Lehm. Doch ging das Jahr ohne rechten Erfolg zu Ende. Wir legten uns deshalb auf das Geldverdienen. Die Turner turnten, die Fußballer spielten, und die Gesangvereine sangen für die Badeanstalt …“
(Adolf Schmidt, 1956)
1925: Vorsteher Heinrich Ellerbrok am 25. Mai in einem Aufruf: „Selbstverständlich bedarf die Kommission der Mithilfe aller Kräfte, sei es in finanzieller Hinsicht oder durch Arbeitsleistungen in den Abendstunden.“ Die Gemeinde selbst sei zur finanziellen Förderung nicht im Stande. – „Konzert, Tanzvergnügen oder Verlosung – Wir hatten bald so viel Geld zusammengebettelt, dass Arbeiter bezahlt werden konnten.“
(Adolf Schmidt, 1956)
1926: Bei kühler Witterung nehmen zahlreiche Besucher am 2. Pfingsttag (24. Mai) an der Eröffnung der ersten Badeanstalt einer Dorfgemeinde in Lippe teil. Die Gesangvereine Teutonia und Harmonie sowie der Schwimmverein Paderborn wirken mit. „Die Schlänger Badeanstalt wird als Hauptfaktor zur Förderung der Volksgesundheit und Stärkung gepriesen.“ 10.0000 bis 12.000 Mark hat das Werk gekostet.
1934: Zur „Hebung des Badebetriebes“ lässt die Gemeindevertretung nahe dem Wasserbecken eine Parkanlage mit Ligusterhecke, Baumpflanzungen und einer Fläche mit weißem Sand gestalten. Auch in den Folgejahren wird für ein angenehmes Umfeld gesorgt.
1939: Zu Um- und Ausbauarbeiten (seit 1937) gehören: Erneuerung der Beckenwände, Einbau einer Mauer zwischen Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, Herstellung einer Sprunganlage mit einer Sprunggrube. Die Vollendung eines Bauwerkes mit Kassen- und Erfrischungsraum, neuen Umkleideräumlichkeiten, sanitären Anlagen und einer Wohnung wird vor dem Zweiten Weltkrieg nicht geschafft.
1950: Für die kleinsten Badegäste entsteht ein Planschbecken.
1977: Am 14. Mai wird das Freibad nach einer im September 1975 beschlossenen und dann durchgeführten Sanierung wieder geöffnet. U.a. sind Beckenwände, Sohle, Sprungtürme, Startblöcke und Planschbecken erneuert worden. Der Aufbereitung des Wassers dienen moderne Anlagen der Bädertechnik. Das kostbare Nass für die Badegäste kommt in der Hauptsache längst aus Brunnen an der Badstraße, die zur Freibadanlage gehören.
Wally Solle und ihre Schulfreundinnen
Dem Umfang der Darstellungen auf den Informationstafeln sind enge Grenzen gesetzt, und die Auswahl dessen, was es darzustellen gilt, ist nicht immer einfach. Schön, dass das Internet-Magazin Platz für noch ein paar Anmerkungen und weitere Abbildungen bietet. Sie stammen ebenfalls aus dem reichhaltigen Archiv, das Heinz Wiemann in über 60 Jahren aufgebaut hat.
Einige Betrachter der Schwimmbad-Informationstafel hätten gern etwas mehr über die drei Mädchen auf dem Foto oben rechts erfahren: Links ist Alwine (genannt Wally) Solle zu sehen, 1915 geborene Tochter des aus Loßbruch stammenden Schmiedemeisters Gustav Solle. Sie hat einen Österreicher (Hausname: Robert) geheiratet und ist mit ihm 1950 nach Österreich gezogen. Vor 30 Jahren hat Wally Robert das Foto, das 1930 von ihrem Schwager Heinrich Fleege aufgenommen wurde, zur Verfügung gestellt und u.a. dazu geschrieben: „Die beiden auf dem Sprungbrett sitzenden Mädchen sind nicht aus Schlangen. Sie waren zur damaligen Zeit Schulfreundinnen von mir. Wir sind einige Jahre täglich zusammen zur Schule nach Paderborn gefahren. Sie wohnten seinerzeit in Bad Lippspringe. Das Mädchen in der Mitte hieß Martha Schröder und war eine Nichte von Kapellmeister Schröder, der nach dem Krieg viele Jahre in Schlangen gewohnt hat. Auch Martha Schröder hat viele Jahre in Schlangen gewohnt. Sie war verheiratet mit Hans Haßlach. Später sind sie nach Aachen verzogen.
Das Mädchen rechts war Hilde Gerken, Tochter des Bahnhofsvorstehers von Bad Lippspringe. Ihr Vater wurde 1951 versetzt, so dass ich leider die Verbindung zu ihr verloren habe. Die Lippspringer kamen in der damaligen Zeit gern in das Freibad in Schlangen.“
Hermann Wolf: Ziegler, Bademeister, Waldarbeiter, Jugendbetreuer
In der Bildunterschrift wird Bademeister Hermann Wolf genannt. Er wurde 1896 in Schlangen geboren und zog nach der Beendigung seiner Schulzeit, wie viele seiner männlichen Altersgenossen, in die Fremde zur Ziegelei. An beiden Weltkriegen hat Hermann Wolf als Soldat teilgenommen. 1926 bis 1943 arbeitete er in Schlangen als Bademeister. Erneut war er 1951 bis 1961 im Freibad tätig und noch einmal 1965. Hermann Wolf hat einer großen Zahl junger Leute das Schwimmen beigebracht. Ein inzwischen 87jähriger Kohlstädter erinnert sich: „Das Gleiten im kühlen Nass kam zuerst. Wir sollten auf diese Weise die Tragfähigkeit des Wassers kennen lernen. Erst danach folgte das Üben der Schwimmbewegungen mit Armen und Beinen.“
Zur Verabschiedung des Bademeisters in den Ruhestand schrieb Gemeindedirektor Hans Winter u.a.: „Wir alle wissen, daß die Badeanstalt ohne Hermann Wolf nicht den guten Ruf erlangt hätte, den sie besitzt … Seine Liebe galt vor allem unserer Jugend. Es nimmt deshalb nicht Wunder, daß diese besonders an ihm hängt.“
Der Ruheständler, der übrigens wintertags seinem Broterwerb als Waldarbeiter im Revier Kohlstädt des Forstamtes Horn nachging, mochte sich noch nicht zur Ruhe setzen. Bis zum 70. Lebensjahr war er als Jugendbetreuer im Heim des Kreises Detmold auf Norderney angestellt. Hermann Wolf ist 1977 verstorben.
Erste lippische Dorfgemeinde mit Badeanstalt
Zurück zu den Anfängen: In einer Studie „Über das Baden im Freien und über Freibäder in Westfalen“ berichtet der Historiker Thomas Spohn 2003: „Erst die zunehmende Verschmutzung der fließenden Gewässer führte zu einer Dominanz des Freibades moderner Prägung im sommerlichen Badewesen; die Jahre zwischen 1925 und 1935 können daher als Hochzeit des – dann überwiegend öffentlich getragenen – Bäderbaus gelten.“
Schlangen verfügte Ende des Jahres 1925 als erste lippische Dorfgemeinde über eine Badeanstalt. Für eine Einweihung war es allerdings zu spät geworden. Sie wurde bekanntlich bis Pfingsten 1926 zurückgestellt. Die Schlänger lebten zwar – von Detmold aus gesehen – hinter dem Berg, aber nicht hinter dem Mond.
Anno 1934 listete der Amtmann in Detmold die in seinem Amtsbezirk liegenden Badeanstalten auf: Strandbad Postteich in Heidenoldendorf (Eigentümer: Rittergutsbesitzer Merckel in Braunenbruch), Gemeindebadeanstalt in Heiligenkirchen-Berlebeck, Gemeindebadeanstalt in Schlangen, Gemeindebadeanstalt Fischerteich in Pivitheide V.L., Badeanstalt Rethlager Quellen (Eigentümer: August Wind in Pivitsheide) und die Gemeindebadeanstalt in Hörste.
Richard Sommer, Jahrgang 1909, hat von 1921 bis 1928 in Schlangen gelebt. Er hat sich hier besonders als „Fortuna“-Torwart einen Namen gemacht. Als Heinz Wiemann ihn vor 30 Jahren in Essen besuchte, ging der Gesprächsstoff nicht aus. So hat Richard Sommer beispielsweise beim Ausschachten der Baugrube für die Schlänger Badeanstalt fleißig mitgeholfen. „Zwischen dem Fußballverein ,Fortuna‘ und dem Turnverein bestand ein gespanntes Verhältnis. Aber beim Ausschachten waren wir uns einig und arbeiteten mit vereinten Kräften. Der Paderborner Gaumeister im Streckentauchen, Fritz Siegmund, war schon vor der Freibad-Eröffnung maßgeblich an der Gründung eines Schwimmvereins beteiligt. Getagt wurde in dem Gasthof Zur Rose.“
Über Maßnahmen zur Förderung des Freibadbaus haben wir berichtet und auch auf das Engagement des Gemeindevorstehers Heinrich Ellerbrok hingewiesen (s. Inhaltsverzeichnis). Von den Verdiensten, die sich Vorsteher Ellerbrok um seine Gemeinde erworben hat, wird in besonderen Ausführungen die Rede sein.
Hinweise auf Kriegs- und Nachkriegszeit
Kurz sei die Kriegs- und Nachkriegszeit eingeblendet. Mit Unterbrechungen arbeitete Hermann Wolf noch 1942 und 1943 im Schwimmbad. Ihm folgte für die Jahre 1944 und 1945 Martha Habermann als Bademeisterin. Am 10. Mai 1946 wählte der Gemeinderat Willi Kröller als Bademeister – mit einem Gehalt von monatlich 145 Mark. Der gleiche Lohn wurde auch dem Flurschütz in derselben Sitzung zugebilligt.
Mit dem Datum des 20. Juni 1944 erhielt der Gendarmerieposten in Schlangen ein Schreiben des Amtmannes in Detmold, in dem es heißt: „Angesichts des verstärkten Luftkrieges hält der Reichsminister der Luftfahrt auch für Freibadeanstalten besondere Maßnahmen für erforderlich. Die Verwaltung des Bades ist für ausreichende Luftschutzmaßnahmen verantwortlich. Bei ‚Öffentlicher Luftwarnung‘ sowie bei ‚Fliegeralarm‘ sind die Besucher aufzufordern, sich anzukleiden, das Freibad zu verlassen oder vorhandene Deckungsmöglichkeiten aufzusuchen …“
Am 28. Dezember 1946 beschloss der Gemeinderat: „Die Badeanstaltsanlagen sollen renoviert werden. Von der Neuanlage eines Sportplatzes soll Abstand genommen werden.“ Die Besatzungstruppe hatte bereits im Frühjahr verlangt, „die Badeanstalt so schnell wie möglich in Ordnung“ zu bringen und eine neue Umkleidebaracke aufzustellen.
Zusätzliche Attraktionen und Radiomusik
Die Verantwortlichen der Gemeinde blickten auch über den Beckenrand hinaus. Sie sorgten durchgängig dafür, dass die Freibad-Besucher nicht nur auf dem Trockenen sitzen, sondern sich auch auf andere Weise ausruhen konnten oder zur Bewegung auf festem Grund angeregt wurden. Dazu kurze Blicke in Zeitungen.
Lippische Landes-Zeitung, 17. Juli, 1926: „Eine nicht zu unterschätzende Annehmlichkeit ist auch der Umstand, dass Sonnenbäder genommen werden können, weil an der Nordwest-Seite ein höheres, mit Bänken besetztes Ufer ist, das die Sonnenstrahlen gut zurückwirft.“
Lippische Landes-Zeitung, 1. Mai 1934: „Gegenwärtig werden neue Anlagen und Lauben geschaffen. Auch ständige Radiomusik wird nächstens nachmittags die Besucher unterhalten.“
Freie Presse, 2. Juli 1955: „Das moderne Schwimmbad in Schlangen ist wieder um einen Anziehungspunkt bereichert worden: Auf der großen Spielwiese gesellten sich zu Reck, Barren und den übrigen Möglichkeiten sportlicher Betätigung nun die Ringe. An warmen Tagen werden sie derart umlagert, daß der grüne Rasen unter ihnen schon nach wenigen Tagen verschwunden ist …“
Lippische Rundschau, 20. Juli 1979: „In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde auch die Liege- und Turnwiese um ca. 9.000 Quadratmeter erweitert und mit Turngeräten, Sprunggruben, achtsitzigem Kinderkarussell und einem Sandkasten versehen.“
Lippische Landes-Zeitung, 12. Juli 1986: „Zusätzliche Attraktionen erhielt das Bad 1981 mit der Anlage eines Bolzplatzes, Volleyball- und Federballanlagen sowie einer Tischtennisplatte.“ H.W.
(Publiziert am 10. August 2016)