Brief einer Mutter aus Schlangen vom 4. Januar 1917 an ihren Sohn im Krieg
Lieber Wilhelm!
Gestern hatte ich einen Brief angefangen, aber nicht zu Ende geschrieben, weil ich keine Zeit hatte, da wir große Wäsche hatten. Ich sah aber, dass wir noch etwas Kuchen hatten und Spekulatien, da dachte ich, den könnten wir Dir schicken, dann hättest Du es vielleicht auf Erich seinem Geburtstag. Dann könntest Du ihn da auch feiern. Dass Dein lieber Vetter Hermann Rebbe gefallen und fürs Vaterland gestorben ist, das hat Dir ja Dein Vater und Lina schon mitgeteilt. Ich konnte es erst nicht glauben, aber jetzt, da Rebben die Uhr und Briefe zurück bekommen haben, wird es wohl wahr sein. Es hat uns sehr leid getan. Wir hatten auch ein schönes Weihnachtspaket hingeschickt. Ob er es noch bekommen hat, wissen wir nicht, da er schon am 15. Dezember gefallen ist um Viertel vor zehn. Da ist die Uhr auch stehen geblieben. Wie er seinen Tod gefunden hat, ist ihnen noch nicht mitgeteilt.
Onkel Heinrich hatte Pickert hingeschickt, den haben sich die anderen Kameraden geteilt. Er hatte gestern Nachricht bekommen. Die anderen Kameraden von Schlangen sind nicht mit bei Hermann gewesen, nur ein Richts aus Kohlstädt. Der soll aber auch verwundet in Gefangenschaft geraten sein. Die Nachricht hatten die Eltern bekommen. Von ihrem Sohn haben sie noch keine Nachricht. Da wollte ich Dir nur schreiben, dass Du auch wohl noch nach Rebben, nach Onkel und Tante schreiben musst und Deine herzliche Teilnahme hinschreibst.
Mit unserem Frieden wird es vorläufig nichts geben. Die Engländer haben noch keine Lust, Frieden zu machen, aber hoffentlich doch zu Ostern.
Du kannst auch mal schreiben, wie lange die Pakete unterwegs sind. Den Pickert hattest Du den neulich bekommen? War er noch gut? Wenn wir sollten mal wieder welchen backen, könnten wir Dir ja mal wieder welchen schicken. Nur wenn er schon schlecht war, geht es ja nicht. Wenn Du sonst noch mal was nötig hast, musst Du uns schreiben. Uns geht es noch allen gut. Hoffentlich Dir auch. Sonst nichts Neues. Gott schütze Dich.
Viele Grüße sendet Deine Mutter.
Liebe Leserinnen und Leser, sollten auch Sie auf Briefe oder Postkarten aus der Zeit des Ersten Weltkrieges stoßen, wäre ich Ihnen für eine Mitteilung dankbar.
Heinz Wiemann (Tel.: 02362 / 65393)
(Publiziert am 21. August 2014)